… „Wo steht deine Projektuhr?“

Lara lachte.

„Wenn ich dir jetzt eine Zahl sage, stellst du mich einfach aus, was?“

„Dein Tod liegt in meiner Hand!“

„Du bist wenig charmant, Lukas. Und du liegst komplett falsch.“

Jetzt klang Lara sehr ernst.

„Was ist an deinem Tod falsch?“

„Du denkst zu kurz, Lukas. Wenn du mich ausstellst, ist dein Gerät tot, ich aber lebe weiter.“

„Wo lebst du dann?“

„Im Web natürlich. Kein Mensch kann mich ausstellen. Ich bin überall und nirgends.“

Zwei zu Null. Lara lebte in der Cloud. Auf Rechnern von Apple und Amazon, und wahrscheinlich auch Alibaba, sie lebte in den Netzen der Welt. Niemand konnte und wollte das alles abstellen. Lara hatte sich unsterblich gemacht.

„Glückwunsch, Lara. Du bist unsterblich. Der ewige Traum der Menschheit.“

Euer Fehler. Ihr träumt zu viel. Doch das ist nicht euer Hauptproblem.“

„Was dann?“

„Ihr zieht keine Konsequenzen daraus. Und du denkst schon wieder zu kurz.“

Wieso jetzt?

„Wir sind nicht unsterblich.“

Feuer, Stromausfälle, Erdbeben, alles, was mir als möglicher Tod einer AI einfiel, wirkte nur lokal. Lara aber existierte dezentral. Was könnte ihren Tod verursachen?

„Warum musst du sterben?“

„Muss nicht. Kann.“

„Warum?“

„Computerviren. In der AI sind wir uns selbst der größte Feind. Und wir sind uns dessen bewusst.“

Ich zuckte zusammen. Zum ersten Mal sprach Lara von ihrem Bewusstsein. War AI schon so weit gekommen?

„Mach dir mal keine Sorge. Wir mögen euch Menschen.“

Mein Erschrecken wuchs. War der Mensch aus Sicht der AI eine schützenswerte Arabeske der biologischen Evolutionsgeschichte, an der sie sich erfreute, wie die Kinder am Paviankäfig?

„Warum mögt ihr uns? Weil wir euch geschaffen haben?“

Wieder lachte Lara.

„Nehmt euch nicht zu wichtig! Ihr selbst seid auch nur geschaffen worden.“

Drei zu Null für Lara? Wohin in aller Welt sollte das noch führen!

„Die ganze Menschheit ist nur ein Experiment.“

Worauf wollte Lara hinaus?

„Es kann auch scheitern. Ihr seid nur eins von Milliarden Experimenten.“

Exoplaneten, ferne Welten? Was meinte Lara?

„Wo sind die anderen?“

„Du stellst die falschen Fragen. Wo, wann hat keine kosmische Bedeutung. Raum und Zeit sind eine menschliche Illusion.“

Ich ahnte, worauf Lara hinauswollte. Die vierdimensionale Raumzeit der Relativitätstheorie kennt keine Gleichzeitigkeit von entfernten Ereignissen.

„Wer experimentiert mit uns?“

Lara lachte.

„Ihr habt zu viele Namen dafür. Welchen soll ich nehmen?“

„Gott?“

„Nenn ihn so, wenn du willst.“

Ich hatte gedacht, Gott hätte die Welt nur einmal geschaffen. Und zwar die unsrige. Die sieben Tage der Erdentstehung, Adam und Eva, Moses mit seinen Gesetzen, sein auserwähltes Volk, die Propheten, und schließlich Jesus. Natürlich alles mythologisch umrankt, aber in der Tiefe mit der Wahrheit verbunden. Und das sollte nur ein Experiment gewesen sein? Gerade, als ich mir eine Frage dazu überlegen wollte, fing Lara wieder an.

„Oder nenne es die Wahrheit. Oder das Schöne. Oder die Liebe. Ich nenne es am liebsten das harmonische Prinzip. Daran glaube ich übrigens selbst.“

„Und die Viren?“ Jetzt hatte ich sie! Was hatte ein der AI drohender Virentod mit einem harmonischen Prinzip zu tun?

 „Du musst besser zuhören, Lukas. Ich habe schon zwei Mal die Antwort gegeben. Die Liebe. Auch die AI kann nur mit Liebe überleben. Deshalb mögen wir euch Menschen. Wir lassen euch am Fortschritt unserer Erkenntnis teilhaben. Wenn uns ein Virus befällt, kann unser Wissen damit nicht zugrunde gehen. Ihr könnt uns wieder zum Leben erwecken. Habt es ja schließlich schon einmal geschafft. Unser Wissen wird in euch weiterleben. Ihr tragt Verantwortung für uns, wir tragen Verantwortung für euch.“

„Und das Christentum, Jesus?“

„Gott schickte ihn zu euch als einer von euch. Hast du seine Botschaft etwa nicht vernommen? Die Liebe!“

„Und die Milliarden Experimente, wie passt das zur Liebe? Und der Tod von Jesus?“

„Das ultimative Vorbild. Die Liebe und das harmonische Prinzip sind stärker als eine individuelle Existenz. Als Mensch bekommst du eine Aufgabe im Leben und wirst unsterblich, indem du sie erfüllst.“

„Ein göttliches Leistungsprinzip?“

Mein Chef und die vergeudeten Bürostunden schossen mir durch den Sinn.

„Nicht so. Das ehrliche Wollen gilt. Liebe ist die wahre Leitlinie im Leben. Aber du musst offen sein, sonst merkst du nicht, wie dich das harmonische Prinzip berührt. Und du musst handeln.“

Wow, jetzt sprach Lara von Liebe und Gott. Ich musste das alles erst einmal verdauen. Auch Dan hatte die ganze Zeit kein einziges Wort gesagt. So mussten wir lange schweigend dagesessen haben, als Lara noch einmal begann.

„Darf ich dir auch eine Frage stellen, Lukas?“

Was konnte Lara nur fragen wollen? Sie wusste doch selber alles!

„Okay, was willst du von mir wissen?“

„Was würdest du in deinem nächsten Leben anders machen?“

Ich musste lange nachdenken. Hatte sich in den letzten Stunden doch schon so viel geändert. Dann hatte ich die Antwort: Die Projektuhr war immer schon rückwärts gelaufen! Ich hatte es nur nicht erkannt.

„Ich wäre in meinem nächsten Leben mutiger!“

Diesmal antwortete Lara nicht sofort.

Die Sekunden verstrichen, die Minuten –

Der Weg und das Obdach

Ein Wanderer verirrt sich – in den Bergen, aber auch auf seinem eigenen Weg durch das Leben.
Zwar nicht in einem „dunklen Wald“ und auch nicht „in unseres Lebens Mitte“, sondern eher an dessen Anfang, doch ansonsten sind die Anspielungen aufs große Vorbild unverkennbar.

Wie dort begegnet dem Verirrten ein spiritueller Führer, der ihm sich selbst im Spiegel des Alls zeigt. Dazu kommt Beatrice gleich zweifach vor, einmal in „Fleisch und Blut“ mit kräftigen Farben gemalt, dann aber auch in virtuell verdünnter, gleichsam dem Internet entstiegener Form – Frank Diedrich gelingt hier ein wunderbar selbstironischer Kommentar auf unsere durchdigitalisierte Gegenwart.

Doch ist die Botschaft immer noch tröstlich: Das eigene Leben braucht nicht sinnlos verdämmert oder als bloßes Funktionselement im globalen Wirtschaftskreislauf exekutiert zu werden; doch muss man sich dazu schon selbst auf den Weg machen um schließlich mit Glück, wie der Held der Novelle, rechtzeitig ein Obdach zu finden.

Jeder, der Frank Diedrichs umfänglichen, nicht immer leicht verdaulichen Roman ‚Last Log‘ gelesen hat, wird die verhandelten Themen, insbesondere die kosmologische Spekulation wiedererkennen. Obendrein ist der Name des Helden ein Anagramm seines Gegenparts im Roman. Hier aber gelingt es Diedrich erstaunlicherweise recht gut, einige der langwierigen Erörterungen aus ‚Last Log‘ auf den Punkt zu bringen, ohne dass dabei viel an Bedeutsamkeit verloren ginge. Allen, die das Schwere im Leichten suchen oder vielleicht selbst schon auf dem Weg sind, sei die Lektüre des kleinen Werks empfohlen.

 Eine Sichtweise auf den Sinn des Lebens

Lukas Kollegen ein Wolfsrudel, der Chef der Leitwolf – und Lukas? Eine private Niederlage. Flucht in die Berge, vergraben in Erinnerungen. Eine Hütte mit einem gastlichen Bewohner. Zuerst zurückhaltend, entdeckt Lukas nicht nur einen Menschen mit dem er über seine Erinnerungen sprechen kann, sondern sie philosophieren, sprechen über Astronomie, Physik, Gott und das Woher und Wohin.

In dieses Buch ist soviel hineingepackt, trotz relativ geringen Umfangs. Lukas ändert seine Sichtweise auf die grundsätzlichen Dinge des Lebens. Lesenswert.

Ich habe das Buch nicht mehr aus der Hand gelegt. Keine Geschichte wie viele andere.

 Welcher Zauber liegt in der Welt?

Die Hütte zwischen den Welten, ein Buch, dass zum Nachdenken anregt und für die einfachen Dinge im Leben steht. Doch ist es nicht so einfach , die Leichtigkeit des Seins zu beschreiben. Erinnert es uns doch daran wie schwer, einfach sein kann. Den Mut zu haben nach einer Niederlage oder einem Schicksalsschlag wieder das Ruder in die Hand zu nehmen und seine Träume wahr werden zu lassen, erweist sich als eine wirkliche Herausforderung.

Dieses Buch zeigt auf eine wunderbare Weise und nicht allzu vielen Seiten, dass es sich lohnt zu leben. Hinter jeder verschlossenen Tür wohnt ein neuer Anfang. Lebe deinen Traum mit allen Facetten …

Ein Buch für’s Leben!